Auf molekularer Achse in die Nanomechanik

Forscher am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Festkörperforschung nutzen Nanoröhrchen aus Kohlenstoff als Torsionsfedern

2. September 2005

In den vergangenen Jahrzehnten sind nach elektronischen auch mechanische Bauteile auf immer kleinere Dimensionen geschrumpft: Mittels lithografischer Verfahren aus der Mikroelektronik ließen sich winzige mechanische Komponenten und schließlich mikroelektromechanische Systeme herstellen. Einen neuen Grenzstein in Sachen Miniaturisierung haben jetzt Wissenschaftler am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Festkörperforschung gesetzt. Ihnen gelang es, mikroskopisch kleine "Paddel" aus Metall schwenkbar auf Kohlenstoff-Nanoröhrchen von nur eineinhalb millionstel Millimeter Durchmesser zu lagern (Science, 2. September 2005).

Schema eines auf einem einwandigen Kohlenstoff-Nanoröhrchen aufgehängten beweglichen Metallblocks. Wird der Metallblock gedreht, verformt sich das Nanoröhrchen und funktioniert als Torsionsfeder.

Kohlenstoff-Nanoröhrchen sind langgestreckte Moleküle mit außerordentlichen elektrischen und mechanischen Eigenschaften; insbesondere einwandige Nanoröhrchen bieten sich für elektronische Anwendungen an. Ihr Durchmesser beträgt ein bis drei Nanometer (millionstel Millimeter), etwa vergleichbar dem Durchmesser der DNA-Doppelhelix. Die Stuttgarter Forscher haben untersucht, ob sich mit einwandigen Nanoröhrchen auch mechanische und elektromechanische Komponenten mit winzigen Abmessungen herstellen lassen. Dazu hängten sie lithografisch erzeugte Metallblöcke an einem einzelnen einwandigen Kohlenstoff-Nanoröhrchen auf. Diese Metallblöcke sind unter einem optischen Mikroskop sichtbar, werden aber durch ein fast tausendmal kleineres einzelnes Molekül getragen. Im optischen Mikroskop - wie auch bei kleinerer Vergrößerung im Elektronenmikroskop - sieht man daher ein scheinbar frei schwebendes Objekt. Erst bei höherer Vergrößerung im Transmisions-Elektronenmikroskop lässt sich das Molekül erkennen, das die Struktur trägt.

Das aufgehängte Objekt kann durch ein elektrisches Feld bewegt werden. Dabei dient das Nanoröhrchen als molekulare Achse, die durch Torsion deformiert wird. Die Struktur wird dabei von nur wenigen molekularen Bindungen getragen: Auf einem Querschnitt durch eine Kohlenstoff-Nanoröhre liegen nur etwa 20 Kohlenstoff-Bindungen; die genaue Struktur der Röhrchen bestimmten die Wissenschaftler durch Elektronenbeugung.

Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme eines beweglich aufgehängen Objekts. Eine allein durch die thermische Energie angeregte Torsionsschwingung ist als unscharfe Kante zu erkennen. Die stark vergrößerte Abbildung rechts oben zeigt das rohrförmige Molekül, auf dem der Metallblock befestigt ist. Es hat einen Durchmesser von nur 1,5 Nanometer und ist somit kleiner als die Doppelhelix der DNA. Der Maßstab entspricht 200 Nanometer und - im vergrößerten Ausschnitt - 2 Nanometer.

Derartige Bauteile könnten als Funktionselemente in nanoelektromechanischen Systemen dienen - etwa als winzige bewegliche Spiegel in optischen Anwendungen, beispielsweise für die Telekommunikation. Ebenso ließen sie sich als Sensoren verwenden, da bereits sehr kleine Kräfte eine Drehung des Metallblocks und damit auch eine Verformung der Nanoröhrchen bewirken. Max-Planck-Forscher Jannik Meyer erwartet, dass sich die elektrische Leitfähigkeit der Nanoröhrchen stark mit deren Verformung ändert - dass also diese Verformung einfach elektrisch detektierbar wäre. So beobachteten die Wissenschaftler, dass bereits die thermische Energie bei Raumtemperatur eine deutlich sichtbare Vibration des Metallblocks hervorruft, was die Empfindlichkeit dieses Systems zeigt.

Meyer und seine Kollegen halten auch kompliziertere mechanische Systeme für denkbar, in denen mehrere frei aufgehängte Objekte untereinander über Nanoröhrchen verbunden sind. Zunächst allerdings geht es darum, das Verhalten von Kohlenstoff-Nanoröhrchen unter Verformung genau zu analysieren. Und so dient das Stuttgarter "Nanopaddel" in jedem Fall als wertvolles Instrument der Grundlagenforschung.

Zur Redakteursansicht