Aufdeckung der Beziehung zwischen Ladungsordnung und Pseudogap in einem homogenen Hochtemperatursupraleiter
Unser Team am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung hat in Zusammenarbeit mit der Europäischen Synchrotronstrahlungsanlage (ESRF) und dem Karlsruher Institut für Technologie einen grundlegenden Zusammenhang zwischen der Ladungsordnung und der Pseudogapphase im stöchiometrischen Kuprat-Supraleiter YBa2Cu4O8 (Y124) entdeckt.

Trotz jahrzehntelanger intensiver Forschung bleibt der zugrunde liegende Mechanismus der Hochtemperatursupraleitung in Kupraten eine offene Frage. Ein vielversprechender Ansatz zur Klärung dieses Problems besteht darin, den Normalzustand zu untersuchen, aus dem die Supraleitung hervorgeht. Die Ladungsordnung – gekennzeichnet durch räumlich periodische Modulationen der elektronischen Ladungsdichte – ist ein universelles Merkmal des Normalzustands von Kupraten. Energieaufgelöste resonante Röntgenstreuung (RXS) ist ein leistungsfähiges Werkzeug zur Untersuchung dieser Phase, da sie sowohl das elastische Streusignal der Ladungsmodulation direkt zugänglich macht als auch eine Darstellung der Ladungsverteilung im reziproken Raum liefert. In RXS-Experimenten äußert sich die Ladungsordnung in Form von Peaks im Impulsraum, deren Position, Breite und Intensität zentrale Eigenschaften wie Periodizität, Korrelationlänge und Modulationsamplitude offenbaren.

Wir haben das ERIXS-Spektrometer an der ID32-Beamline der ESRF sowie das einzigartige 4-Kreis-Goniometer im Vakuum verwendet, das sowohl kryogene Kühlung als auch die präzise Ausrichtung kleiner Proben ermöglicht, um RXS an Einkristallen von Y124 mit weniger als 500 μm Größe durchzuführen. Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Ladungsordnung in Y124 als echte Phasenübergang bei T = 200 K auftritt – exakt zeitgleich mit dem Beginn des Pseudogaps T*, wie zuvor durch andere spektroskopische Studien bestimmt wurde. Dieser Befund, ermöglicht durch die Untersuchung eines weitgehend defektfreien Systems, legt nahe, dass chemische Substitution in anderen Kupraten wie YBa2Cu3O6+x (Y123) die Ladungsordnung durch Unordnung graduell entstehen lässt, anstatt einen scharfen Übergang zu erzeugen.
Unsere Ergebnisse stellen somit die bislang weit verbreitete Annahme infrage, dass Pseudogap und Ladungsordnung unabhängige Phänomene seien, und liefern eine direkte experimentelle Grundlage für ihre Verbindung. Indem diese Studie ein Referenzsystem ohne Störfaktoren bietet, trägt sie wesentlich zum besseren Verständnis der Hochtemperatursupraleitung bei und unterstreicht die zentrale Rolle von Unordnung in der Phasendiagrammstruktur der Kuprate.
Darüber hinaus ebnet diese Arbeit den Weg für zukünftige Untersuchungen darüber, wie äußere Parameter wie mechanischer Druck oder Magnetfelder die Ladungsordnung und deren Zusammenspiel mit der Supraleitung im Y124-System und in anderen Quantenmaterialien beeinflussen.